Kommunikation statt Zwang: Entspannte Spaziergänge an der Leine
Hunde sind sehr soziale Tiere, die ihre Menschen gern im Alltag begleiten – auch dann, wenn sie dabei an der Leine laufen müssen. Gewöhnt sich ein Hund schon früh daran, entwickelt sich die Leine sogar erstaunlich schnell zur Nebensache: Je stärker das Vertrauen zwischen Tier und Mensch, desto geringer ist auch das Bedürfnis unserer Vierbeiner, die Richtung vorzugeben.
Wenn es darum geht, unseren Hunden den entspannten Umgang mit der Leine anzugewöhnen, sind daher vor allem wir Menschen gefragt: Bedürfnisorientierte Hundeerziehung basiert darauf, dass unsere Vierbeiner wissen, dass sie sich immer auf uns verlassen können – Leine hin oder her.
In diesem Artikel wollen wir unsere Erfahrungen rund ums Leinelaufen mit dir teilen. Lies hier, warum es sich oft lohnt, neben dem Halsband auch ein Hundegeschirr parat zu haben, und wie du deinen Hund ganz ohne Zwang bremsen kannst, wenn er an der Leine zieht.
Vertrauen statt Zwang: Wie Hunde lernen, entspannt mit der Leine umzugehen
Wenn ein Hund an der Leine zerrt, gibt es dafür gewöhnlich einen guten Grund: Entweder hat er etwas entdeckt, was ihn interessiert – oder er fühlt sich bedroht. In beiden Fällen sind wir Menschen in unserer Rolle als "Anführer*innen" gefragt. Fühlen sich unsere Hunde bedroht, ist es unsere Aufgabe, ihnen ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Haben unsere Vierbeiner hingegen etwas Spannendes gesehen oder gewittert, haben wir den Vortritt, denn als Chef*innen bestimmen wir, ob wir uns das näher ansehen sollten oder nicht.
Im Umkehrschluss bedeutet das, dass die wichtigste Voraussetzung für einen entspannten Spaziergang an der Leine eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Hund und Halter*in ist. Ein Hund, der seinen Menschen voll und ganz vertraut, überlässt es ihnen, die Richtung und auch die Geschwindigkeit vorzugeben. Aus diesem Grund ist es umso wichtiger, dass wir als Hundehalter*innen auch wirklich die Führung übernehmen und dafür sorgen, dass unser Vierbeiner weiß: „Mein Mensch hat die Situation im Griff.“
Mit Blick auf gemeinsame Spaziergänge bedeutet das ganz konkret, dass wir darauf achten sollten, dass unser Hund die Leine nicht mit negativen Erlebnissen verbindet. Auch wenn natürlich kein Hund von sich aus an der Leine laufen würde, kann sich jeder Hund daran gewöhnen – vorausgesetzt, er fühlt sich beim Leinelaufen sicher. Und dass er bei dir sicher ist, kannst du deinem Hund ganz einfach mit deinem Verhalten zeigen. Hier zwei Beispiele:
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Schirm deinen Hund vor anderen Hunden ab, wenn die Begegnung ihn stressen könnte. Manche Hunde freuen sich bei jedem Spaziergang und in jedem Fall über andere Hunde, die ihnen begegnen, andere mögen fremde Hunde eher nicht. Je nachdem kannst du deinem Hund eine unangenehme Situation ersparen, indem du deine Präsenz zeigst. Gehe dafür mit deinem Hund entweder in einem Bogen um andere Hunde herum oder stell dich direkt vor deinen eigenen Hund, wenn ein anderer auf ihn zugerannt kommt. So merkt dein Liebling, dass du die Situation unter Kontrolle hast, und denkt nicht: "Na toll, ich würde die Lage gerne klären, weil mein Mensch das nicht tut, ich bin aber an der Leine und habe keine Möglichkeit dazu" – denn das führt natürlich zu Frustration und Leinezerren.
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Agiere als Puffer für deinen Hund. Je nach Gemüt deines Hundes ist dieser Punkt unterschiedlich ausgeprägt, aber prinzipiell gilt: Auch für andere Stressquellen solltest du ein Schutzschild für deinen Hund bilden. Wenn beispielsweise ein schneller Fahrradfahrer oder Reiter mit Pferd an dir und deinem vierbeinigen Freund vorbeirast, solltest du dich zwischen deinen Hund und das herannahende Fahrrad oder Pferd stellen. Auch beim gemeinsamen Vorbeigehen an lauten Baustellen solltest du vorsichtig laufen und in einem großen Bogen ausweichen. So vermittelst du deinem Hund das gute Gefühl, dass du auf euch beide aufpasst und auch in heiklen Situationen die Kontrolle behältst.
Die passende Ausrüstung: Warum ein Geschirr das Leinentraining angenehmer gestalten kann
Auf die Frage, ob wir lieber zum Halsband oder zum Geschirr greifen sollten, gibt es viele verschiedene Antworten – und das aus gutem Grund. Was die bessere Wahl ist, hängt stark vom Charakter und den Erfahrungen deines Vierbeiners ab: Manche Hunde bevorzugen ganz klar das eine oder das andere. Gleichzeitig spielt es aber auch eine große Rolle, was ihr gemeinsam unternehmen wollt, denn je größer das Risiko eines Leinenrucks, desto sicherer ist das Geschirr.
Im Vergleich zum Halsband hat ein Hundegeschirr den großen Vorteil, dass es den Hals ausspart. Dadurch schützt es sowohl den Kehlkopf als auch die Halswirbelsäule vor Schäden, die durch anhaltendes Ziehen an der Leine oder einen versehentlichen Ruck entstehen können. Schmerzhafte Ereignisse wie diese prägen sich schnell ein und können maßgeblich dazu beitragen, dass Hunde ihre Leine als Hindernis oder gar Strafe empfinden. Ein Geschirr allein ist natürlich nicht die Lösung, wenn ein Hund an der Leine zerrt, aber es kann durchaus dabei helfen, das Leinentraining angenehmer und sicherer zu gestalten, bis Hund und Halter*in ein so eingespieltes Team sind, dass die Leine zur Nebensache wird.
Wann lohnt sich, über ein Hundegeschirr nachzudenken?
Grundsätzlich ist ein Geschirr in allen Situationen eine gute Idee, in denen das Risiko besteht, dass dein Hund heftig an der Leine zerrt und du nicht schnell genug reagieren kannst. Vor allem Welpen vergessen manchmal einfach, dass sie gerade an der Leine laufen. Um sie vor ihrem eigenen Übermut zu schützen, ist es daher ratsam, junge Hunde erst langsam ans Halsband zu gewöhnen.
Darüber hinaus können wir das Geschirr aber auch einsetzen, um erwachsene Hunde in stressigen Situationen – beispielsweise beim Besuch in der Tierarztpraxis – oder beim gemeinsamen Sport vor den Folgen allzu heftiger Bewegungen an der Leine zu schützen. Für Hunde aus dem Tierheim kann ein Geschirr außerdem eine gute Möglichkeit sein, um das Leinelaufen als angenehme Aktivität mit ihren neuen Menschen für sich zu entdecken. Vor allem Hunden, die nicht bedürfnisorientiert, sondern mit Zwang an die Leine gewöhnt wurden, fällt es oft viel leichter, sich bei Spaziergängen zu entspannen, wenn vom ersten Moment an klar ist, dass ihnen kein schmerzhafter Ruck am Hals droht.
Ein Geschirr ist ein Muss, wenn eine Laufleine/ Schleppleine zum Einsatz kommen soll. Denn wenn sich mehrere Meter Leine beim Spaziergang irgendwo verhangen, gibt es bei einem Halsband einen sehr schmerzhaften Ruck.
Bei der Auswahl des Geschirrs solltest du Sorgfalt walten lassen und das Richtige für deinen Liebling auswählen: Das Geschirr sollte bequem sitzen und im angelegten Zustand nicht über das Schultergelenk deines Hundes gehen, sondern es komplett aussparen.
Die richtige Technik: Wie du deinen Hund mit der T-Stellung davon abhältst, an der Leine zu ziehen
Hast du schon einmal gesehen, wie sich ein Hund quer vor einen Menschen oder einen anderen Hund gestellt und ihm so den Weg versperrt hat? Das ist die sogenannte T-Stellung, ein Kommunikationsmittel, das unsere Vierbeiner ganz intuitiv verstehen und auch untereinander benutzen. Indem ein Hund sich in dieser Position vor einen anderen stellt, grenzt er ihn ein – sanft, aber mit Nachdruck. Die Gründe für dieses Verhalten können unterschiedlich sein, aber die Botschaft ist im Grunde immer dieselbe: „Hier geht es für dich nicht weiter.“
Stellt sich beispielsweise ein Hund quer vor ein Kind oder einen Welpen, handelt es sich meistens um eine schützende T-Stellung: Der Hund versucht, ein schutzbedürftiges Mitglied seines Rudels mit seinem Körper vor einer Gefahr abzuschirmen. Stellt sich hingegen ein dominanter Hund quer vor einen Artgenossen, signalisiert er damit: „Ich bestimme, wann und wo es weitergeht.“ Genau diese Version der T-Stellung können wir uns zunutze machen, um unsere Hunde davon abzuhalten, an der Leine zu ziehen – mit Kommunikation statt Zwang.
So funktioniert die T-Stellung an der Leine
Die T-Stellung ist eine für Hunde leicht verständliche Methode, um klarzustellen, wer beim Spaziergang an der Leine die Führung übernimmt. Zieht dein Hund an der Leine, trittst du energisch vor ihn. Achte darauf, dass du dabei immer in einem leichten Bogen nach vorn gehst, denn andernfalls sieht dein Hund nur, dass du schneller wirst, und passt sich einfach deiner Geschwindigkeit an.
Die Grundlage hierfür ist, dass ihr nebeneinander lauft oder du ein Stück vor deinem Hund läufst. Versucht dein Vierbeiner dich zu überholen, bleibst du quer vor ihm stehen und wartest einen Moment ab. Versucht dein Hund, dir einfach auszuweichen, gehst du gleich noch einmal vor ihm in T-Stellung: Grenze ihn immer wieder ein, bis er darauf wartet, dass du die Richtung vorgibst.
Regeln, auf die dein Hund sich verlassen kann
Wie bei allem, was dein Hund lernt, ist es auch beim Leinenlaufen wichtig, dass du konsequent bleibst – auch dann, wenn ein energiegeladener Junghund beim ersten Stop in der T-Stellung erst alle Himmelsrichtungen ausprobiert, bevor er dir die Führung überlässt. Nur wenn du deine Rolle als Anführer*in zuverlässig ausfüllst, kann dein Hund sich darauf verlassen, dass alles unter Kontrolle ist – und das ermöglicht es euch, den kleinen und großen Überraschungen des Alltags nicht mit straff gespannter Hundeleine, sondern ganz entspannt zu begegnen.